Feststellung von Härtefallgründen bei Eigenbedarfskündigung

Der Bundesgerichtshof stellte klar: Bei Eigenbedarf reicht ein pauschales Gutachten nicht – medizinische Risiken müssen gründlich geprüft werden, bevor über den Verbleib eines Mieters entschieden wird.

Beschluss vom 26. August 2025 – VIII ZR 262/24

Der 85-jährige Mieter bewohnt eine Berliner Dreizimmerwohnung. Die Vermieter erklärten im November 2021 die Kündigung wegen Eigenbedarfs. Der Mieter sollte die Wohnung insoweit nach mehr als 40 Jahren Mietdauer räumen. Dagegen legte er Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein Umzug aufgrund einer erheblichen gesundheitlichen Einschränkung ihm nicht mehr zuzumuten wäre. Er verwies insbesondere auf eine existierende Herzerkrankung, sodass weiterhin ein akutes Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko bestehe. Hinzu kämen schwere Depressionen, die auch eine suizidale Krise zu befürchten ließe. Die daher auch zu erwartenden weiteren Beeinträchtigungen würden für ihn eine extreme Gefahr für Leib und Leben bedeuteten.

Vor dem Amts- sowie Landgericht Berlin hatte er hiermit keinen Erfolg. Der Härtefalleinwand wurde zunächst aufgrund eines vom Amtsgericht bestellten Gutachtens zurückgewiesen. Ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wies auch das Landgericht darauf hin, dass die psychische Belastung für einen Umzug zumutbar sei und keine bedeutsamen medizinischen Gründe für einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses vorlägen.

Die Karlsruher Richter hingegen sahen hierin eine Verletzung des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Landgericht habe sich erkennbar lediglich auf ein unvollständiges sowie widersprüchliches und teilweise auch fehlerhaftes Sachverständigengutachten gestützt. Es hätte jedoch die Widersprüche aufklären beziehungsweise ein weiteres und vor allen Dingen schlüssiges Gutachten einholen müssen. Insbesondere könne ein Gericht regelmäßig medizinische Aspekte nur in den Fällen selbst bewerten, soweit es über eine besondere eigene Sachkunde verfüge. Diese müsse sodann ausdrücklich sowie nachvollziehbar dargelegt werden. Die Richter hoben daher das Urteil auf und verwiesen die Sache an das Landgericht hinsichtlich einer notwendigen eingehenden Prüfung eventueller Härtefallgründe zurück.

Kommentar: Gesundheitsgefährdungen können nur durch überzeugende fachärztliche Gutachten, die neben dem Ausmaß der Erkrankung auch über die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Gesundheitsverschlechterung Aufschluss geben, festgestellt werden. Nur insoweit ist eine sachgerechte Abwägung zwischen den Interessen der Vermieterseite sowie den betroffenen Mietenden zu gewährleisten. Die eventuell vorliegenden unzumutbaren Folgen eines erzwungenen Umzugs können jedenfalls mangels eigener Sachkunde regelmäßig nicht allein durch das Gericht bewertet werden.

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