Collage mit Zeitungsausschnitten zum Thema Mietenspiegel.

Verschnaufpause bei der Mietensteigerung – mehr nicht!

Der Hamburger Mietenspiegel 2025 zeigt nur eine scheinbare Entspannung: Trotz geringem Anstieg bleiben Probleme mit überhöhten Mieten und fragwürdigen Forderungen großer Vermieter.

Der neue Hamburger Mietenspiegel ist kein Anlass zum Jubeln. Dass die Durchschnittsmiete im Vergleich zum Jahr 2023 nur um 1,12 Prozent auf durchschnittlich 9,94 Euro pro Quadratmeter stieg, ist vor allem der neuen Erhebungsmethode geschuldet: Erstmals wurde der Median statt des arithmetischen Mittels verwendet. „Eine längst überfällige Veränderung, für die wir im Arbeitskreis Mietenspiegel hart gekämpft haben“, sagte Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Mit der Umstellung auf den Median werde verhindert, dass extreme Ausreißer – insbesondere sehr hohe Mieten – die Berechnung verzerren (siehe Info-Kasten unten). „Dass die Wohnungswirtschaft sich dem Methodenwechsel lange widersetzt hat, zeigt, wie zentral diese Umstellung ist“, so Bosse.

Klar ist, dass der Mietenanstieg ohne die Änderung der statistischen Methode deutlich höher ausgefallen wäre. Nicht ohne Grund hat Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karen Pein (SPD), die Zahlen nach der „alten“ Methode nicht ermitteln lassen, wie sie bei der Präsentation des neuen Mietenspiegels im Rathaus erklärte. Kein Wunder, dass Rolf Bosse das Plus von 1,12 Prozent deshalb als „spürbaren Anstieg“ bewertete. Während Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linken, von einer der Methode geschuldeten „Verschnaufpause“ für die Mieterschaft sprach, bezeichnete Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), das neue Zahlenwerk als „gutes Ergebnis“. Es belege, dass die Untergangsszenarien, was die Mietenbelastung angeht, fehl am Platz seien: „In Hamburg ist das Wohnen weiterhin bezahlbar. Vor allem im Vergleich zu anderen Metropolen wie Berlin, Barcelona, Kopenhagen oder London kann sich die Hansestadt sehen lassen.“ Zum Vergleich: München liegt bei 15,38 Euro pro Quadratmeter sowie Stuttgart und Frankfurt je bei 11,15 Euro. Hamburg bleibt damit unter der Preissteigerung des Verbraucherpreisindex und zeigt eine im Metropolenvergleich moderate Entwicklung.

Hamburger Mieter tragen höhere Wohnkostenlast als der Bundesdurchschnitt.

Alarmierend ist aber, dass sich bei Betrachtung des Hamburger Mietwohnungsmarkts der Eindruck verstärkt, dass private Großvermieter wie Vonovia und Heimstaden weder den Mietenspiegel noch die Mietpreisbremse ernst nehmen. Die genannten Unternehmen versenden unzulässige Mieterhöhungen in Serie und versuchen so „abgrasen, was abzugrasen ist“, sagt Lukas Bowen, Rechtsberater im Mieterverein zu Hamburg. Sprich: Wenn eine Mietpartei der eigentlich nicht korrekten Erhöhung zustimmt, klingelt im Konzern die Kasse. Gut beratene Mieterinnen und Mieter, die diesen Mieterhöhungsbegehren nicht zustimmen, müssen allerdings damit rechnen, dass ihnen bald wieder eine unberechtigte Mieterhöhung ins Haus flattert – frei nach dem Motto: steter Tropfen höhlt den Stein.

Leider wehren sich zu wenig Betroffene, viele akzeptieren die zu hohe Miete – aus Angst, Unwissenheit oder Gleichgültigkeit, wenn es sich beispielsweise um Transferleistungsempfänger handelt, die das Geld nicht aus eigener Tasche bezahlen müssen. In diesen Fällen werden nicht nur Steuerzahler zusätzlich belastet, auch die gesamte Mieterschaft ist betroffen, denn die überhöhten Mieten fließen wiederum in den neuen Mietenspiegel ein.

Eine mutige und engagierte Mieterin und Leistungsempfängerin, die sich dagegen wehrt, ist Natalie Stein aus dem Fritz-Flinte-Ring im Stadtteil Steilshoop, wo sie mit ihrem dreibeinigen Kater Gismo lebt. „Ich gehe immer dagegen an, wenn Forderungen nicht korrekt sind“, sagt die 56-jährige Frührentnerin, seit 1997 Mitglied im Mieterverein. Leider würden viele Mieterhöhungen in ihrer Nachbarschaft meist unbesehen durchgewinkt, ärgert sich Stein: „Vor allem Migranten erkennen nicht, wenn Mieterhöhungen nicht gerechtfertigt oder Betriebskostenabrechnungen falsch sind.“ Dieses Unwissen nutzten Großvermieter schamlos aus.

Vonovia-Mieterin Stein dagegen lässt sich nichts gefallen. Zuletzt hatte sie mithilfe des Mietervereins in einem außergerichtlichen Vergleich 30 Euro Mietminderung monatlich bei einem Modernisierungsvorhaben erstritten. Kurz darauf flatterte ihr Ende Dezember die nächste Mieterhöhung ins Haus. Wieder wehrte sie sich, verweigerte ihre Zustimmung. Die Vonovia klagte. Das Amtsgericht Barmbek urteilte: Stein bekam zu 85 Prozent recht, die Vonovia zu 15 Prozent – mit der Folge, dass ihre Nettokaltmiete von 507,60 nur auf 513,34 Euro stieg – statt auf 547,18 Euro, wie von der Vonovia gefordert. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit vom Vermieter falsch geltend gemachten Ausstattungsmerkmalen. Die Wohnlage sei nur „unterdurchschnittlich“, zudem wirke sich die „problematische Sozialstruktur“ und der Mangel an Einkaufsmöglichkeiten und gastronomischen Angeboten mietmindernd aus.

In Steins Haus und dem Nachbarhaus wohnen 16 Parteien. Von diesen seien die meisten nicht organisiert, immerhin vier seien gegen die unberechtigten Mieterhöhungen vorgegangen, erzählt Natalie Stein. „Ich habe Klinken geputzt, die Leute angesprochen und Formularvordrucke in die Briefkästen gesteckt.“ Sie wolle verhindern, dass „falsche Mieten“ in den nächsten Mietenspiegel einfließen, sagt Stein: „Wohnraum ist doch nicht zum Spekulieren da!“ Die Marktmechanismen greifen aber doch, wenn jemand auszieht. Dann verteuere sich der Wohnraum nicht nur drastisch, erzählt die Frau, die seit 50 Jahren im Stadtteil lebt: „Die Neuen bekommen zudem Indexmietverträge untergejubelt.“

Auch Siegfried Luschnat hat immer wieder Probleme mit der Vonovia. Seit 2022 hat der börsennotierte Konzern mehrfach versucht, seine Miete zu erhöhen. „Die machen nur Ärger. Als die Vonovia die Häuser übernommen hat, ging das mit den Mieterhöhungen los“, echauffiert sich der Senior, der seit zehn Jahren Mitglied im Mieterverein ist. Luschnat, der seit 2008 in seiner Wohnung an der Rudolf-Roß-Allee in Horn wohnt, zahlte jahrelang 444 Euro Kaltmiete, mit Betriebskosten waren es 577 Euro. Dann übernahm die Vonovia den Wohnblock und seitdem flattern regelmäßig Mieterhöhungsverlangen mit Verweis auf den Mietenspiegel ins Haus.

Zumindest in der Höhe meist zu Unrecht, wie Rechtsberater Paul-Hendrik Mann vom Mieterverein betont: „Der tatsächliche Zustand der Wohnungen rechtfertigt die Geltendmachung der Zuschläge nicht. Insbesondere wurden auch negative Merkmale, zum Beispiel die schlechte Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr, nicht berücksichtigt.“ Sein 82-jähriger Mandant sollte laut einem Schreiben vom Februar 66,60 Euro Kaltmiete mehr zahlen. Mann riet ihm, die Zustimmungserklärung nicht zu unterschreiben, es sei laut Mietenspiegel nur eine Erhöhung um rund 20 Euro angemessen. So sah es auch das Gericht, das die Vonovia eingeschaltet hatte.

Seine Nachbarn, mutmaßt der Senior, hätten den Mieterhöhungsverlangen wohl zugestimmt – aus Angst um ihre Wohnung. Angst, die sie nicht haben müssten in Anbetracht von Forderungen in unberechtigter Höhe. Doch die Vonovia gibt auch bei Siegfried Luschnat nicht auf, schickte ihm fast jeden Monat einen Brief ins Haus. Darin steht immer der selbe Satz: „‘Ihre Zustimmung steht aus.‘ So ein Schreiben habe ich bestimmt achtmal gekriegt“, ärgert sich Luschnat, dessen Frau vor zwei Jahren gestorben ist. Zu den veränderten Lebensumständen kommt der ständige Ärger um die Wohnung hinzu: „Das belastet mich wirklich. Die Vonovia ist unmöglich.“ Das findet auch sein Berater vom Mieterverein: „Herr Luschnat hat kurz nach dem Urteil aus dem ersten Prozess eine neue identische Mieterhöhung erhalten. Diese wird von der Vonovia nunmehr ebenfalls gerichtlich geltend gemacht. Ich bin guter Dinge, dass auch der neue Prozess gewonnen werden kann. Hier wird dann sicherlich der neue Mietenspiegel mit reinspielen.“

Und was sagt die Vonovia zu diesem und anderen Fällen? „Die Zahl der Beanstandungen zu unseren Abrechnungen und Mieterhöhungen ist niedrig“, betont Pressesprecherin Caroline Sorgenicht, „wenn man alle unsere Vorgänge einmal analysiert, zeigt sich folgendes Bild: Im Jahresschnitt erstellen wir knapp eine Million Heiz- und Betriebskostenabrechnungen. Die Anzahl der Einsprüche unserer Mieter:innen liegt im niedrigen einstelligen Prozentbereich, und die Erstattungsquoten, also Rückzahlungen, unter einem Prozent.“ Und was ist mit den Fällen an der Rudolf-Roß-Allee und am Fritz-Flinte-Ring? „Übrigens sind auch bei den von Ihnen genannten Abrechnungen weder aktuell noch in der Rückschau Auffälligkeiten im Kundenfeedback festzustellen“, antwortet die Pressesprecherin. Kommentar überflüssig.

Keinen guten Ruf bei Hamburger Mieterinnnen und Mietern hat auch das mittlerweile europaweit agierende skandinavische Unternehmen Heimstaden, mit dem sich die Rechtsabteilung des Mietervereins immer öfter herumplagen muss. „Im Rahmen unserer Beratungen haben wir diverse Mieterhöhungen von Heimstaden geprüft. Eine Vielzahl dieser Mieterhöhungen reizten die maximal zulässige Steigerung von 15 Prozent voll aus“, sagt Mietervereins-Rechtsanwalt Lukas Bowen. „Dazu können wir nur vermuten, dass pauschal 15 Prozent aufgeschlagen wurden, ohne die neue Miete am Mietenspiegel auszurichten, wie es nach § 558 BGB aber gesetzlich vorgeschrieben ist.“ Die geforderten neuen Mieten hätten in der Mehrzahl der Fälle deutlich über dem Mietenspiegel gelegen und „teilweise deutlich jenseits von dem, was vernünftiger Weise hätte verlangt werden können“, sagt der Rechtsanwalt des Mietervereins. „Wir haben diese überhöhten Mieterhöhungen für unsere Mitglieder abgelehnt. Mir ist kein Fall bekannt, in dem Heimstaden nach unseren Ablehnungen noch sinnvoll argumentiert oder gar die Mieterhöhung eingeklagt hätte.“ Insgesamt entstehe daher der Eindruck, dass alle Mieterhöhungen, denen ungeprüft – aus Angst oder im Vertrauen auf deren Berechtigung – zugestimmt wurde, sozusagen von Heimstaden „mitgenommen“ würden und eine seriöse Weiterverfolgung vor Gericht in den übrigen Fällen gar nicht geplant war, resümiert Bowen.

Bei einer vom Mieterverein vertretenen Mieterin im Stadtteil Bahrenfeld hat diese Trickserei nicht geklappt. In diesem Fall hatte Heimstaden versucht, die bereits deutlich über dem Mietenspiegel liegende Miete von 683 Euro (10,51 Euro pro Quadratmeter) einer Wohnung am Bessemerweg bis zum sogenannten Oberwert des Mietenspiegels von 10,83 Euro pro Quadratmeter) auf 703,95 Euro zu erhöhen – also bis zum Maximum, was mit dem Mietenspiegel begründbar ist. „Diese erkennbar unberechtigte Mieterhöhung haben wir für unser Mitglied zurückgewiesen“, sagt Bowen. Bereits 2024 wurde eine unberechtigte Mieterhöhung mithilfe des Mietervereins zurückgewiesen. „Ich lasse die Schreiben deshalb immer vom Mieterverein überprüfen“, sagt die Mieterin, die dank dieser rechtlichen Expertise schon viel Geld gespart hat, „dann bin ich rechtlich auf der sicheren Seite.“

Auch die Mieterschaft in der Lange Reihe 21 und 23 in St. Georg ist nicht gut auf Heimstaden zu sprechen. Dr. Wolfgang Müller (85), der seit 1980 in einer Wohnung des Immobiliengiganten lebt, hat vier Jahre auf die Sanierung seines maroden Badezimmers gewartet. Müller bemängelt auch das manchmal mit Fäkalien verunreinigte Wohnumfeld. Auch Mäuse seien hier zuhause. Müller kritisiert, dass viele Mängelanzeigen nicht beachtet oder erst spät bearbeitet wurden: „Auch die Betriebskostenabrechnungen sind fast immer falsch. So wurde der Posten ‚Garten arbeiten‘ abgerechnet, obwohl es hier keine Grünanlage gibt. Das ist unverschämt.“ Der Senior erinnert sich wehmütig an Zeiten, als das Gebäudeensemble noch der Hamburg-Mannheimer gehörte, die sogar einen Hausmeister stellte.

Nachbarin Anne P. im Nachbarhaus berichtet, dass sie dem aktuellen Mieterhöhungsbegehren nicht zugestimmt hat, zudem kann sie ihren Dachboden wegen Schimmelbefalls nicht nutzen. Auch Claudia Preuschoft, seit 1981 in St. Georg beheimatet, berichtet von Mäusen auf dem Dachboden und Wasserkästen am Klo, die abgebaut wurden, obwohl etwas anderes im Bad kaputt war. Nicht nur das: „Heimstaden ist aggressiver als der vorherige Eigentümer Akelius, der alle zwei Jahre eine Mieterhöhung verlangte. Die versuchen es jetzt jedes Jahr.“ 2023 hatte sie eine Teilzustimmung gegeben, 2024 wurde das Begehren abgeschmettert, die aktuelle Erhöhung liegt auf dem Tisch. Immer wieder kommt es in den Häusern vor, dass der Mieterverein seinen Mitgliedern empfiehlt, die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nicht zu erteilen.

Und was sagt der skandinavische Immobilienkonzern zu diesen „Fällen“? „Wir konnten keine Unregelmäßigkeiten am Bessemerweg 6 oder in der Lange Reihe 21 feststellen. Sollten uns Fehler passieren, werden diese selbstverständlich korrigiert. Wir halten uns jedenfalls streng an die Vorgaben aus § 558 BGB und erstellen jedes Mieterhöhungsverlangen nach bestem Wissen und Gewissen“, antwortet Heimstaden-Pressesprecher Michael Lippitsch.

Median oder arithmetisches Mittel?

Der Hamburger Mietenspiegel 2025 soll künftig den Median statt des arithmetischen Mittels als Berechnungsgrundlage verwenden. Gut oder schlecht?

Das sagt der Mietrechtsexperte Prof. Dr. Börstinghaus (siehe auch Interview zur Titelstory): „Das ist für alle mit etwas Mathekenntnis, unabhängig von der Mietenspiegelproblematik, leicht zu beantworten. Beim arithmetischen Mittel werden alle Daten vergleichbarer Wohnungen addiert und durch die Anzahl der Werte dividiert. Der Median ist der mittlere Wert aller Daten. Das bedeutet, das arithmetische Mittel wird durch die Extreme beeinflusst, der Median gerade nicht. Da die Verteilung der Mietedaten regelmäßig eine rechtslastige Kurve ist, da es immer noch einen Mietwert gibt, der noch höher ist, ist die arithmetische Mitte in einem Mietspiegel regelmäßig höher als der Median, der nicht durch Ausreißer beeinflusst wird. Das bedeutet, dass der Median in der Regel für die Mieterschaft günstiger ist.“

Ihre Meinung zählt!

Schicken Sie uns Ihr Feedback zu unseren Artikeln, Themenideen oder Hinweise per E-Mail an briefe@mieterjournal.de – wir freuen uns auf Ihre Ideen und Vorschläge!