Schwitzen aber mit Plan

Ein Foto vom Himmel, bei dem die Sonne um die Ecke eines Hauses scheint.
Mit einer ausgeklügelten Informationsstrategie will der Senat zivilgesellschaftliche Gruppen bei Hitzeereignissen einbinden. Foto: Schwarz

Hamburg legt Hitzeaktionsplan vor – Kritiker fordern mehr Trinkwasserstellen und konkrete Schutzräume für gefährdete Gruppen.

„Der nächste Winter kommt bestimmt“ – diese Werbung aus den 1960er-Jahren malte einst das Schreckgespenst eisiger Monate zwischen November und März an die Wand. Die Zeiten haben sich geändert. Mittlerweile werden nicht mehr frostige Winter gefürchtet, sondern glühend heiße Sommer. Temperaturen von bis zu 40 Grad sind selbst im Norden keine Seltenheit mehr. Politik und Verwaltung stehen unter Druck, müssen Handlungsfähigkeit demonstrieren. Die SPD-geführte Sozialbehörde hat ein Konzept vorgelegt, das vergleichbar einer abgestuften Reaktion schnell vor Hitzeereignissen warnen soll. Eingebunden werden demzufolge zivile oder halbstaatliche Akteure wie Deutsches Rotes Kreuz, Technisches Hilfswerk sowie andere Gruppen und Organisationen wie etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.

Die Lage sei ernst, geben die Autoren des 179-seitigen Hitzeaktionsplans (HAP) zu bedenken: In den kommenden Jahren sei „in Deutschland mit einer Zunahme von extrem heißen Sommern zu rechnen, wie sie bereits in den Jahren 2003, 2018, 2019 und 2022 zu beobachten waren“. Für „Maßnahmen wie Begrünung und Entsiegelung“ von Flächen sei die federführende Sozialbehörde jedoch nicht zuständig. Dies sei Aufgabe der Umweltbehörde. Die Autoren des HAP hatten sich vielmehr Gedanken gemacht, wie möglichst viele Gruppen der Gesellschaft schnellstens erreicht werden können, um Maßnahmen zu ergreifen.

Als gefährdet („vulnerabel“) gelten unter anderem Menschen mit Vorerkrankungen sowie Schwangere, Wohnungs- und Obdachlose oder Drogenabhängige. Besondere Sorge bereite die „hitzebedingte Übersterblichkeit“, von der vor allem ältere und sehr alte Menschen betroffen seien. Auch Beschäftigte im Baugewerbe oder im Garten- und Landschaftsbau seien von Hitze betroffen. Als Kernstück des Konzepts gilt die „Kommunikationskaskade“: „Kommunikationskaskaden stellen sicher, dass Information gezielt, einheitlich und schnell innerhalb und außerhalb eines vorab definierten Bereichs weitergegeben und verbreitet werden.“

Doch der beschriebene Wasserfall der Behörde bringt den Betroffenen bislang wenig. Man habe sie bisher nicht in die „Kommunikationskaskade“ des HAP eingebunden, stellte Sybille Arendt von der Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt auf Anfrage fest. Es mangele zudem immer noch an „öffentlich zugänglichen Trinkwasserstellen“, so Arendt. „50 neue Spender sollten es nach Meinung von Fachleuten mindestens sein.“ Auch kühle „Schutz- und Aufenthaltsräume“ seien nötig. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert ebenfalls „mindestens 50 neue Wasserspender“ in der Stadt, so der Vorsitzende des Hamburger Verbands, Klaus Wicher: „Trinkwasser ist ein Menschenrecht, besonders in Zeiten zunehmender Hitzewellen. Andere Städte wie Berlin und Wien sind hier deutlich weiter.“

Die CDU-Opposition kritisiert den HAP als unzureichend. Der Hitzeaktionsplan sei „inhaltlich vage, strukturell unverbindlich und in der Umsetzung weitgehend folgenlos“, rügt Sandro Kappe, Sprecher für Umwelt und Klima der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Statt konkreter Schutzmaßnahmen liegt bislang vor allem eine lose Kommunikationsstrategie vor.“ Städte wie Mannheim mit „einem der bundesweit fortschrittlichsten Hitzeaktionspläne“ seien da wesentlich weiter. Kappes Resümee: „Hamburg hinkt hinterher.“

Auch der Linksfraktion ist das Konzept aus der Sozialbehörde „zu vage, zu freiwillig und zu unverbindlich“: „Es wird viel beschrieben, aber wenig verbindlich geregelt. Statt klare Zuständigkeiten und Standards zu schaffen, setzt der Senat auf Empfehlungen und das Engagement Dritter. Das reicht angesichts der zunehmenden Hitzewellen nicht aus.“

Der Koalitionspartner hält den Hitzeaktionsplan hingegen „für einen wichtigen Erfolg“, so Philipp Wenzel, stellvertretender Pressesprecher von Die Grünen in der Bürgerschaft. „Besonders der umfassende Beteiligungsprozess mit relevanten Akteuren aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Fachpraxis stärkt die Umsetzbarkeit und die Akzeptanz der Maßnahmen.“ Und als hätten die Verfasser der Studie die Kritik an ihrer Strategie schon vorhergesehen, betonen sie, dass ihr Konzept des Hitzeaktionsplans keineswegs auf ewig festgeschrieben sei, sondern „ein im Zeitverlauf (sich) entwickelndes und lernendes Planungsinstrument“.

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