Lesezeit ca. 7 Minuten
Zwischen Filmkulissen, Wanderwegen und Alltagstrubel
Eine achteckige Kirche, ein Naturfreibad mit feinem Sandstrand, Parks und Wanderwege sowie das Studio Hamburg, in dessen Nähe man mit etwas Glück einen Blick auf Stars und Sternchen erhaschen kann. Die Straßen sind gesäumt von schnuckeligen Einfamilienhäusern und gepflegten Wohnanlagen mit vergleichsweise günstigen Mieten. Mit dem „Regio“, dem Regional-Express, ist man in nur 14 Minuten am Hauptbahnhof. Der gerade mal 3,9 Quadratkilometer große Stadtteil Tonndorf hat weit mehr zu bieten als man zunächst vermutet.

Mit Isabell Baudisch und Caroline Rühmann durch Tonndorf.
Die Suche nach passenden Guides für unseren Rundgang war einfach. Als sich im Kollegenkreis des Mietervereins herumsprach, dass die Redaktion sich diesmal für Tonndorf entschieden hatte, boten sich spontan gleich zwei Mitarbeiterinnen an, uns ihren Stadtteil zu zeigen. Isabell Baudisch (48), Leiterin Verwaltung und Schreibbüro, und Caroline Rühmann (38), die dafür sorgt, dass die Schreiben, die unsere Juristen für unsere Mitglieder aufsetzen, rechtzeitig bei dem Empfänger eingehen, wohnen beide seit vielen Jahren in Tonndorf und kennen „ihren“ Stadtteil natürlich gut. Als Treffpunkt haben wir das Shoppingcenter Tondo an der Tonndorfer Hauptstraße vereinbart. Das Einkaufszentrum wurde 2006 in der Mitte des Stadtteils eröffnet. Knapp 17 Geschäfte, darunter ein großer Rewe-Markt, Drogerien, eine Apotheke, eine Haspa-Filiale und mehrere Arztpraxen befinden sich hier unter einem Dach.
Unsere beiden Tonndorf-Kennerinnen erwarten uns bereits vor dem Haupteingang des Einkaufscenters. Der sich langsam ankündigende Winter zeigt sich heute leider von seiner grauen Seite, gegen den scharfen Wind haben sich unsere unternehmungslustigen Begleiterinnen mit einem warmen Mantel beziehungsweise Jacke und Schals geschützt. Von dem bedeckten Himmel lassen wir uns die gute Laune nicht verderben und brechen auf zu unserem Spaziergang.
Gleich gegenüber vom TONDO-Einkaufszentrum beginnt das weitläufige Gelände von Studio Hamburg. 1947 als Real Film GmbH gegründet, wurden dort Nachkriegs-Klassiker wie „Des Teufels General“ mit Curd Jürgens oder „Der Hauptmann von Köpenick“ mit Heinz Rühmann, gedreht. In jüngerer Zeit entstanden dort unter anderem NDR-Tatorte, Serien wie „Großstadtrevier“ oder Szenen vom „Traumschiff“, außerdem werden in den Studios Talkshows und Quizshows aufgezeichnet. Wir laufen entlang der Bahnunterführung in Richtung Sonnenweg. Seit dem Bau des Tunnels im Jahre 2006 fließt der Verkehr hier flüssiger. Staus gibt es aber immer noch auf der stark frequentierten Stein-Hardenberg-Straße, eine der Hauptverkehrsachsen Richtung City.
Eine U- oder S-Bahn-Anbindung hat Tonndorf nicht. „Mit dem Regional-Express sind wir aber in knapp einer Viertelstunde am Hauptbahnhof“, berichtet Isabell Baudisch, als wir am örtlichen Bahnhof vorbeikommen. Mit dem Ausbau der neuen S4-Strecke sollen jetzt unter anderem auch die bereits bestehenden Bahnhöfe Tonndorf und Rahlstedt S-Bahn-tauglich ausgebaut werden. Die Fertigstellung der Baumaßnahme ist für Anfang 2029 geplant.
Mit dem Regional-Express sind die Tonndorfer in einer Viertelstunde in der City
Am Sonnenweg, Ecke Stein-Hardenberg-Straße, betrachten wir die moderne Architektur der achteckigen Evangelischen Kirche Tonndorf. In den 1970er-Jahren hat dort Pastor Dorau gepredigt, Vater von Andreas Dorau, ein Musiker, der zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle mit „Fred vom Jupiter“ einen Hit landete. Wir spazieren entlang der Tonndorfer Schulstraße und werfen einen Blick auf die örtliche Grundschule, wo Isabell Baudischs Kinder die Schulbank gedrückt haben und an deren Bau der Großvater von Caroline Rühmann beteiligt war, wie sie uns erzählt. Vor dem Eingang der Schule an der Ecke Rahlaukamp schmunzeln wir über eine freundliche Bärenskulptur, die der Keramiker Kurt Bauer geschaffen hat.
Ein paar Meter weiter in der Straße Wöschenhof erreichen wir den Buddha Bahrami Tempel. „Die buddhistischen Mönche in ihren langen orangefarbenen Gewändern gehören längst zum Stadtbild und sind immer freundlich“, erzählt uns Caroline Rühmann. Am Ende der Straße stehen wir dann vor dem Gebäudekomplex „Wöschenhof“. Beim Anblick der kastenförmigen Immobilie mit den kleinen Fenstern sind wir nicht sicher, ob es sich um ein Wohn- oder um ein Bürogebäude handelt. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass dort Studierende der Helmut-Schmidt-Universität in Mini-Apartments wohnen.
Wir schlagen einen kleinen Bogen und sind wieder auf der Stein-Hardenberg-Straße. Das Radwegenetz ist hier nicht ausgebaut, weshalb wir uns hin und wieder rechts in die Büsche schlagen müssen, weil uns Radfahrer auf dem Gehweg überholen. Unsere Begleiterinnen machen uns mit einem breiten Lächeln auf ein paar Schilder aufmerksam, die im Vorgarten eines Einfamilienhauses stehen. Die Schilder weisen darauf hin, dass hier ein Bahnübergang sein soll. Des Rätsels Lösung steht hinten im Garten: der Nachbau der Lokomotive „Emma“, mit der Lukas der Lokomotivführer über die Insel Lummerland gekurvt ist.
Einige Schritte weiter zeigt uns Caroline Rühmann das „Spukhaus“ von Tonndorf. Das kleine Haus steht seit etwa 20 Jahren leer und sorgt besonders bei den Kindern im Stadtteil für einen angenehmen Grusel, die sich erzählen, dass dort eine Hexe wohnen würde. In der Nachbarschaft befindet sich außerdem das Fachgeschäft Aquarium Tonndorf, das aufgrund seiner großen Auswahl seit 55 Jahren Anziehungspunkt für Aquaristikfreunde aus dem Großraum Hamburg ist.
Wir biegen rechts ab in die Straße Ostende, die zu einem Park mit Wanderweg entlang des Flüsschens Wandse führt. Ganz in der Nähe hat der 2022 verstorbene Regisseur Dieter Wedel („Der große Bellheim“) gewohnt. „Hin und wieder habe ich ihn beim Einkaufen im Aldi-Markt getroffen“, verrät uns Isabell Baudisch. Der Wanderweg im Nordmarkpark führt uns schließlich bis zum Naturbad Ostende. Von Mai bis September lädt das Freibad, das auf dem Areal einer alten Ziegelei mit Tongrube entstanden ist, zum Schwimmen und Planschen ein. Für den Sandstrand wurden 2012 rund 75 Tonnen mit feinstem Sand aufgeschüttet.
Auf dem Rückweg legen wir einen kurzen Stopp ein am neuen Quartier „Jenfelder Au“, das streng genommen nicht mehr zu Tonndorf gehört. Von der Architektur der Mietshäuser und Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen, die auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände zwischen Schöneberger Straße und Jenfelder Allee entstanden ist, sind unsere Guides nicht begeistert. „Sieht irgendwie zusammengewürfelt aus“, finden unsere Begleiterinnen. Man würde deutlich sehen, dass hier verschiedene Bauherren unterschiedlicher Baustile vermischt hätten. Einige Kasernengebäude aus den Jahren 1934/35 wurden unter Denkmalschutz gestellt und sollen zusammen mit dem ehemaligen Exerzierplatz als Gesamtensemble erhalten bleiben.
So langsam müssen wir uns auf den Rückweg machen. An der Tonndorfer Hauptstraße kommen wir noch am Fischgeschäft Eichrodt vorbei. Eine Rarität in der heutigen Zeit. Der kleine Laden in der Nähe von Studio Hamburg feierte kürzlich sein 100-jähriges Bestehen. Seine Wände sind mit Autogrammkarten gepflastert – von Schauspielern und Schauspielerinnen, die im Lauf der Jahrzehnte in den Drehpausen hier ihren Fisch eingekauft haben.
Im schicken Café Del Sol an der Jenfelder Allee beenden wir schließlich unseren Rundgang durch Tonndorf und stärken uns mit einem Milchkaffee und einem Stück Maracuja-Joghurt-Torte, von deren Geschmack unsere Begleiterinnen schon unterwegs geschwärmt haben. Ihr Fazit zum Schluss: Tonndorf bietet viel Grün, die Mieten sind erschwinglich, und die Nachbarschaft ist herrlich normal und entspannt. „Hier lässt es sich wirklich gut leben!“, finden Isabell Baudisch und Caroline Rühmann.
Tonndorf in Zahlen
- Einwohner: 15.580
- Fläche: 3,9 km²
- Bev. mit Migrationshintergrund: 48%
- Wohnungen: 7.969
- Sozialwohnungen: 806
- Ø Personen pro Haushalt: 1,8
- Ø Wohnungsgröße: 74,1 m²
- Ø Miete (Neuabschluss): 17,88 Euro/m²
(Quellen: Statistikamt Nord, Gymnasium Ohmoor)
Ihre Meinung zählt!
Schicken Sie uns Ihr Feedback zu unseren Artikeln, Themenideen oder Hinweise per E-Mail an briefe@mieterjournal.de – wir freuen uns auf Ihre Ideen und Vorschläge!







