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Bosses Blick

Mutiger sein!
Weichenstellungen in den Koalitionsverträgen: Hamburg ist etwas forscher als der Bund
Wohin die Reise geht, weiß man am Anfang nie genau. Schon der Schriftsteller J.R.R. Tolkien war sich dessen bewusst und flocht diese Erkenntnis ein in ein Lied über die Straße, das er Bilbo Beutlin in den Mund legte.
Weil Menschen aber gerne wissen möchten, was die Zukunft bringt, versuchen sie, alles möglichst genau zu planen und den Eintritt des Geplanten abzusichern. Genau dazu dienen Koalitionsverträge, die in Hamburg wie in Berlin im April verabschiedet und vorgestellt wurden. Jeweils als Meilensteine gefeiert, bringen sie, je nach Fachgebiet, Neues, jedenfalls aber Orientierung und sind ein Fixpunkt am Erwartungshorizont. Positiv aufgefallen ist mir, dass selbst die CDU mittlerweile der Meinung zu sein scheint, dass wir ein Problem mit zu hohen Mieten haben. Anders wäre eine Verlängerung der Mietpreisbremse nicht zustande gekommen. Es besteht also Hoffnung, dass das künftig SPD-geführte Justizministerium der Umsetzung besserer Regulierungen des Mietrechts durch das weiterhin SPD-geführte Bau- und Wohnungsministerium nicht mehr im Wege steht.
Hamburg wagt mehr und riskiert die politische Kontroverse: Wer künftig in fertiggestellte Sozialwohnungen zieht, muss damit rechnen, bei steigendem Einkommen auch mehr Miete zu zahlen – das Comeback der Fehlbelegungsabgabe, die 2002 beerdigt wurde und seither als bürokratisches Monster gescholten in der Versenkung gehalten wird. Auch wenn es den Betroffenen nicht gefällt: Der Kerngedanke einer solchen Regelung ist richtig. Warum soll jemand, der die Unterstützung des Staates nicht braucht, diese in Anspruch nehmen dürfen? Und doch ist es eine schwierige und emotionale Diskussion, genauso wie die um die Wohnfläche. Trotzdem: Wir werden uns auch mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir Menschen, die sich viel Fläche leisten können, dazu kriegen, diese nicht zu besetzen und sich mit weniger zufriedenzugeben. Sonst können wir so viel neu bauen wie wir wollen, es wird nicht reichen.
Apropos Neubau: Hier gibt es weder im Bund noch in der Stadt wirklich etwas Neues. Hamburg will das Bündnis für das Wohnen neu beleben und die Förderung des Neubaus vorantreiben. Unsere Forderungen, die SAGA und Unternehmen mit öffentlicher Beteiligung wie Hamburg Wasser oder die Energiewerke zum Neubaumotor zu machen mit bis zu 10.000 Wohnungen jährlich im Jahr 2035, wurden ebenso wenig im Koalitionsvertrag berücksichtigt wie eine Verbesserung des Wohnraumschutzes darin beschlossen wurde. Immerhin: Das Bekenntnis zum Erbbaurecht und gegen den Ausverkauf städtischer Grundstücke steht drin.
Es wird zumindest nicht schlimmer, was die Rahmenbedingungen betrifft, könnte man Hamburgs mietende Mehrheit trösten. Doch weiterhin niedrige Neubauzahlen und Bevölkerungswachstum werden die Wohnungskrise in den nächsten Jahren eher verschärfen als entspannen.
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