Flüchtlingsherberge im Villenviertel? Nein Danke!

Einfahrt eines Park & Ride Parkplatzes
Der Park+Ride-Platz am S-Bahnhof Hochkamp steht für die Unterbringung Geflüchteter nach Einspruch des Vereins Hochkamp nicht zur Verfügung. Foto: Reinhard Schwarz

Ein Villenverein stoppt Flüchtlingsunterkunft in Hochkamp – mit Verweis auf ein über 100 Jahre altes Bauprivileg. Die Stadt reagiert empört.

in kleiner, fast unbekannter Verein sorgte kürzlich bundesweit für Furore. Der Verein Hochkamp legte seinen Einspruch gegen Senatspläne ein, auf einer Park+Ride-Fläche nahe der S-Bahnstation Hochkamp in Osdorf eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten, obwohl das Gelände der Stadt gehört. Der Verein berief sich bei seiner Entscheidung auf die sogenannte Hochkamp-Klausel, wonach in dem Gebiet, das Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert entstand, nur Villen gebaut werden dürfen. Über die Einhaltung der Klausel, die sich die Villeneigentümer 1918 sicherten und als Grunddienstbarkeit in den Grundbüchern eintragen ließen, wacht eben jener Verein.

Hochrangige Sozialdemokraten schäumten vor Wut. „Es ist absurd, dass eine als Parkplatz ausgewiesene städtische Fläche aufgrund eines mehr als hundert Jahre alten Privilegs nicht für eine temporäre Nutzung zum Wohl aller Hamburger und Hamburgerinnen genutzt werden kann“, schimpfte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. „Die SPD-Fraktion Hamburg kritisiert diese unsolidarische und unhanseatische Haltung von einigen der vermögendsten Hamburgerinnen und Hamburger zulasten einer ausgewogenen und ausreichenden Verteilung von Geflüchteten in unserer Stadt.“

Die christdemokratische Opposition pocht hingegen auf die Rechtslage. „Schuldzuweisungen und Beschimpfungen gegenüber den Mitgliedern des Vereins Hochkamp e.V. sind auf jeden Fall kein adäquates Mittel zur Lösung der Probleme bei der Flüchtlingsunterbringung“, positionierte sich die stellvertretende Vorsitzende ihrer Bürgerschaftsfraktion, Anke Frieling (CDU). „In diesem Fall haben sich die Mitglieder des Vereins nach gründlicher Abwägung entschieden, keinen Präzedenzfall zu schaffen. Das ist ihr gutes Recht.“ Der Verein selbst hält sich indes hanseatisch-bedeckt, eine schriftliche Anfrage des MieterJournals bei einem Mitglied des Vorstands blieb unbeantwortet.

Laut Wolfgang Arnhold, Sprecher der Sozialbehörde, habe es am 2. April eine Versammlung mit Mitgliedern des Hochkamp-Vereins gegeben, bei der Vertreter der Behörde die Senatspläne vorstellten. „Die Gesprächsatmosphäre war dabei ruhig, und es fand eine sachliche Diskussion der Überlegungen mit den Mitgliedern des Vereins statt. Im Anschluss hieran kam es zur Abstimmung, bei der sich keine Mehrheit für die Schaffung eines Standortes finden konnte“, so Arnhold. Damit war das Projekt Flüchtlingsherberge im Villenviertel gestorben.

Doch was sagen eigentlich Vertreter der „Zivilgesellschaft“ vor Ort, wie etwa die Kirchen? Die örtlichen Kirchen hüllen sich in Schweigen. Der Hochkamp gehöre nicht mehr zu ihrem Gemeindegebiet, lautete auf Anfrage die Antwort bei der St. Simeon Kirche Alt-Osdorf. Bei der eigentlich „zuständigen“ evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Nienstedten (Elbchaussee) erklärt der dortige Pastor, das Thema Hochkamp sei bisher in der Gemeinde nicht diskutiert worden. Bei einer Anfrage bei der (freikirchlichen) Christengemeinschaft Hamburg-Blankenese hieß es ebenfalls, der Bereich Hochkamp gehöre nicht zu ihrem Einzugsgebiet, man könne sich daher nicht äußern. Immerhin: Der „zuständige“ Bürger- und Heimatverein Nienstedten e.V. hatte sich „solidarisch“ mit dem Plan einer Flüchtlingsunterkunft auf einem Parkplatz beim Botanischen Garten in Klein Flottbek erklärt, so der stellvertretende Vorsitzende Jürgen Pfuhl. Zum Thema Hochkamp könne man sich nicht äußern, dazu gebe es noch kein Votum der Mitglieder.

Und was meinen die Anwohner des Hochkamps? Eine – nicht repräsentative – Straßenumfrage ergab ein Verhältnis von 1:5: Fünf Befragte lehnten demnach eine Flüchtlingsunterkunft am Standort ab, lediglich eine Person befürwortete den Bau. Hauptargument gegen die Unterkunft: Die Menschen im Stadtteil bräuchten den Parkplatz. „Ich bin absolut dagegen: Der Parkplatz wird benötigt für die Leute hier im Stadtteil“, sagt Gerd Ellerbroek. „Abgesehen davon passt ein Flüchtlingsheim hier absolut nicht hin.“ Anwohner Sandro Spitzenberg meint: „Der Parkplatz wird gebraucht. Die Idee einer Flüchtlingsunterkunft ist gut, passt aber nicht hierher, vielleicht eher in Richtung Wedel.“

Eine Beamtin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, meint: „Ich finde es gut, wenn hier ein Flüchtlingsheim hinkäme. Auch weil es ein Ort ist, der der Stadt gehört.“ Nicht nur die armen, sondern auch die reichen Stadtteile müssten ihren Beitrag zur Unterbringung von Geflüchteten leisten. Anwohner Olaf Jacobson zeigt sich nachdenklich, wägt ab, fürchtet aber um die Sicherheitslage vor Ort: „Meine Frau geht hier auch abends zur S-Bahn.“ Dass mit einer möglichen Unterkunft am Hochkamp ein „Präzedenzfall“ geschaffen werde, hält er aber für ein „vorgeschobenes Argument“: „Viele befürchten wohl eher einen Wertverlust ihrer Grundstücke.“

Eigentum verpflichtet

Kommentar von Dr. Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg

„Ich kenne nicht die gesamte Klausel, sodass ich nicht sagen kann, wie sie gestaltet ist und auf Basis welchen Rechts der Verein für sich in Anspruch nimmt, Planungen in der Siedlung absegnen oder ablehnen zu können. Ich gehe aber davon aus, dass Bezirk und Senat die Regelungen sorgfältig geprüft und so bewertet haben, dass sie auch heute noch gültig sind und die Verwaltung wirksam binden.

Wenn dem so ist, erzeugt eine derartige Regelung heutzutage ein erhebliches Störgefühl. Das Grundgesetz stellt fest, dass das Eigentum sozialpflichtig ist, und damit steht für mich die Rechtmäßigkeit der gesamten Klausel infrage, wenn sie es erlaubt, dass sich Eigentümer vor ihrer sozialen Verantwortung drücken können.

Nun mag es sein, dass die Politik die Auseinandersetzung mit den einflussreichen Persönlichkeiten, die in der Siedlung schalten und walten, scheut. Eine solche Auseinandersetzung ist aber erforderlich, um zu klären, ob die Regelungen noch mit heutigem Demokratieverständnis und Gleichbehandlungsgrundsätzen vereinbar sind.

Milieuschutzregelungen schränken die Handlungsfähigkeit privater Eigentümer zum Wohle übergeordneter städtebaulicher und sozialer Interessen ein. Die Hochkamp-Klausel schützt Eigentümer vor Maßnahmen, die aus Gründen übergeordneter städtebaulicher oder sozialer Interessen beabsichtigt sind. Insofern fehlt hier die Vergleichbarkeit. Aber auch eine Milieuschutzregelung muss und wird gerichtlich überprüft. Es erscheint sachgerecht, dies auch für die Hochkamp-Klausel zu tun. Da ist der Bezirk am Zug.“

Ihre Meinung zählt!

Schicken Sie uns Ihr Feedback zu unseren Artikeln, Themenideen oder Hinweise per E-Mail an briefe@mieterjournal.de – wir freuen uns auf Ihre Ideen und Vorschläge!