Lesezeit ca. 3 Minuten
Betriebskostennachzahlung: Verspätung ist nicht automatisch Verzug
Kündigung wegen offener Betriebskosten? Wer Abrechnungen prüft und Belege einsehen will, darf Nachzahlungen zunächst zurückhalten.
Landgericht Lüneburg, Urteil vom 20. Juni 2025, 6 S 21/25 Mitgeteilt von Rechtsanwalt Lutz Witt
In dem vorbezeichneten Urteil hatte eine Vermieterin die Wohnungskündigung unter anderem damit begründet, dass der Mieter eine Betriebskostennachzahlung nicht beglichen hatte. Das Gericht stellte klar, dass dies nicht zwingend zu einem kündigungsrelevanten Zahlungsverzug führen müsse. Es handelt sich vielmehr um eine Abwägung im Einzelfall, wobei verschiedene Kriterien relevant sind. Maßgeblich ist zunächst die Höhe der Nachforderung. Darüber hinaus ist aber in besonderer Weise zu berücksichtigen, dass die Höhe eines Betriebskostensaldos sich nicht unmittelbar aus den mietvertraglichen Vereinbarungen, sondern erst aus einer von der Vermieterseite zu erstellenden, teilweise hochkomplexen Abrechnung ergibt. Die zugrundeliegenden Belege sind der Mieterseite zunächst unbekannt. Das berechtigt die Mietparteien zu einer kritischen Überprüfung nebst Belegeinsichtnahme und auch zu einem Widerspruch gegen die Abrechnung. Dieses Verhalten führt nicht dazu, dass der Vermieterseite eine Vertragsfortführung nicht zumutbar ist. Dies gilt auch dann, wenn die Mieterseite im Ergebnis einem Irrtum unterlegen ist und ein Widerspruch nicht erfolgreich sein sollte. Es kommt vielmehr auf die Stichhaltigkeit der Einwendungen gegen die Abrechnung an, wobei die Mieterseite im Zweifel auch die Belege einsehen muss. Um überhaupt Einwendungen gegen die Abrechnung vorbringen zu können, muss der Mieterseite zudem eine angemessene Überprüfungsfrist zugestanden werden. Vor deren Ablauf scheidet schon aus diesem Grund eine Kündigung aus und auch eine Abmahnung geht ins Leere. Es kommt schließlich auch auf ein eventuelles Verschulden der Mieterseite an der Unfähigkeit der Leistung der Nachzahlung an. In der Regel dürfte es entlastend wirken, wenn die Mieterseite nicht mit einer hohen Nachzahlung rechnen musste. Die Vermieterseite ist besser als die Mieterseite in der Lage, die mutmaßliche Höhe der Betriebskosten einzuschätzen und sich durch entsprechende Vorauszahlungen abzusichern.
Das Gesetz räumt den Mietparteien Zeit für die Überprüfung einer Betriebskostenabrechnung ein. Vor Ablauf der Überprüfungsfrist von zwölf Monaten nach Erhalt der Betriebskostenabrechnung müssen Mietparteien keine Kündigung der Vermieterseite befürchten, wenn sie zunächst die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege einsehen möchten und daher die Nachzahlung zunächst zurückhalten. Eine sogenannte „Druckkündigung“ von der Vermieterseite hat keinen Erfolg. Grundsätzlich sollten die Mietparteien die Belegeinsichtnahme jedoch zeitnah nach Erhalt der Abrechnung einfordern, um die Angelegenheit zu klären. Es empfiehlt sich, eine Zeitdauer von 30 Tagen zu beachten, auch wenn anschließend keine gesetzliche Ausschlussfrist greift.
Ihre Meinung zählt!
Schicken Sie uns Ihr Feedback zu unseren Artikeln, Themenideen oder Hinweise per E-Mail an briefe@mieterjournal.de – wir freuen uns auf Ihre Ideen und Vorschläge!