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„Besseren Mieterschutz sehen wir kritisch“

Über das wohnungspolitische Reizthema Eigenbedarf sprach MJ-Redakteur Volker Stahl mit Ulf Schelenz, dem Geschäftsführer des Grundeigentümer-Verbands Hamburg.
Wie oft liegt dem Wohnungswechsel die Kündigung der Mieterseite zugrunde, wie oft die durch die Vermieterseite?
Zuverlässige statistische Erhebungen zur Häufigkeit von Kündigungen durch Mieter und Vermieter sind mir nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass Mieter in circa 80 bis 90 Prozent der Fälle kündigen und der restliche Anteil auf Kündigungen durch Vermieter entfällt. Das liegt schlicht und einfach daran, dass Vermieter immer ein berechtigtes Interesse zur Kündigung benötigen und Mieter nicht.
Bitte nennen Sie uns die TOP 3 der Bedarfspersonen, für die am häufigsten Eigenbedarf geltend gemacht wird!
TOP 1: Selbstnutzung. TOP 2: Kinder des Vermieters, wegen Studiums, Ausbildung oder nach Trennung vom Partner. TOP 3: Schwiegereltern und Eltern des Vermieters wegen Pflegebedürftigkeit.
Bitte nennen Sie uns die Gründe, warum Mieter nicht ausziehen können oder wollen!
Der Grundeigentümer-Verband vertritt die Interessen der Vermieter. Welche Beweggründe Mieter haben, nach einer Kündigung nicht auszuziehen, darüber können wir nur Vermutungen anstellen. Häufig wird gesagt, dass eine finanzierbare Ersatzwohnung nicht gefunden wird oder keine finanziellen Mittel für Umzug, Renovierung und Kaution zur Verfügung stehen. Vielfach bleiben Mieter auch einfach ohne Angabe von Gründen in der Wohnung.
Wie ist Ihr Eindruck: Haben Eigenbedarfskündigungen zugenommen?
Ja, auch bei uns in der Beratung ist eine Zunahme von Eigenbedarfskündigungen festzustellen. Wohnungen sind häufig nur schwer zu finden. Der Wohnungsmarkt hat sich in den letzten Jahren weiter verengt, sodass auch Vermieter häufiger auf die eigene Wohnung im Bestand angewiesen sind, sei es beispielsweise zur Selbstnutzung oder für die eigenen studierenden oder in Ausbildung befindlichen Kinder oder die pflegebedürftigen Eltern.
Hatten Sie es schon mit Eigentümern zu tun, die Eigenbedarf nur vortäuschen wollten, um höhere Neuvermietungsmieten oder bessere Verkaufspreise zu erzielen?
Solche schwarzen Schafe soll es geben.
Das Amtsgericht Bergedorf hat eine Vermieterin kürzlich wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs zu 54.000 Euro Strafe wegen „Betrugs durch Unterlassen“ verurteilt …
Wenn sich in der Rechtsberatung ein solcher Verdacht regt, werden die gesetzlichen Grenzen und Rahmenbedingungen für eine Eigenbedarfskündigung sehr genau besprochen und klar gemacht, dass vorgetäuschter Eigenbedarf kein Kavaliersdelikt ist. Häufig ergibt sich im Laufe der Beratung, dass Unwissenheit über die genaue Rechtslage das eigentliche Problem ist.
Wie bewertet Ihr Verband Hamburgs Vorstoß im Bundesrat, Mieter besser vor missbräuchlichen Eigenbedarfskündigungen zu schützen?
Der Grundeigentümer-Verband sieht die Bundesratsinitiative sehr kritisch. Wir halten den Vorstoß für überzogen und unangemessen. Denken Sie nur daran, dass die Bundesratsinitiative eine jahrelange Sperrfrist für Eigenbedarfskündigungen vorsieht. Was sagen Sie den jungen Familien angesichts des zurzeit zum Erliegen gekommenen Wohnungsneubaus, die dann kein vermietetes Eigenheim zur alsbaldigen Selbstnutzung mehr kaufen können? Wir müssen auch nicht darüber diskutieren, dass schwarzen Schafen das Handwerk zu legen ist. Aber mit diesem Maßnahmenpaket wird die Mehrheit der gesetzestreuen Vermieter zu Unrecht getroffen und in der Nutzung ihres Eigentums eingeschränkt. Das halten wir für nicht richtig. Zumal Gerichte auch jetzt schon einen strengen Prüfungsmaßstab bei Eigenbedarfskündigungen anlegen.
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